16.—17. Januar 2020
Kunsthalle Bern, Helvetiaplatz 1, 3005 Bern
Wir diskutieren
Tagung im Rahmen der Ausstellung «Wir publizieren»
«Am Schnittpunkt von Literatur, Kunst, Design, Technik, Recht, Politik und Wirtschaft wirkt eine Gemengelage von Praktiken, Prozessen und Institutionen, in der sich das kaum erforschte Phänomen des unabhängigen Publizierens bewegt.» (Gilbert 2019)
Die eineinhalbtägige Tagung «Wir diskutieren» zielt darauf ab, dieses Phänomen anhand von Vorträgen, Diskussionen und Interventionen zu erörtern. Dabei stellen wir uns unter anderem die folgenden Fragen: Wie lässt sich das Interesse an selbstorganisierten Publizieren als politische, soziale Praxis und den daraus entstandenen Artefakten begründen? Wie lassen sich diese meist komplexen und kollektiven Prozesse archivieren und zugleich zugänglich machen? Welche Ansprüche leiten sich daraus auf unser heutiges Verhalten ab? Und wie lassen sich diese vermitteln?
Die Tagung findet im Rahmen der Ausstellung «Wir publizieren – Redaktion, Gestaltung, Produktion und Distribution unabhängiger Magazinformate in der Schweiz seit 1960» (Kunsthalle Bern, 20. Dezember 2019 – 2. Februar 2020) statt. Die Teilnahme ist öffentlich und kostenlos. Die Beiträge werden auf Video aufgenommen und nach der Tagung auf dieser Website veröffentlicht.
Donnerstag, 16. Januar 2020, 19—20.30 Uhr
Anti-Book: Crisis and Materiality in Political Self-Publishing
Vortrag von Nicholas Thoburn (Dozent für Soziologie, University of Manchester) mit anschliessender Diskussion (in Englisch).
Einführung: Andreas Vogel; Moderation: Lucie Kolb
This talk presents a communism of experimental self-publishing, a communism that shifts attention from the content of publishing to publishing’s many and various material forms. These experimental forms, I will argue, are traversed by crisis, wrought as they are from a social terrain coursing with hostile relations of gender, race, and class. The talk takes a «post-digital» approach to publishing, exploring experimental practice from the standpoint of a publishing landscape thoroughly transformed by digital technology and informed by the rich traditions of artists’ publishing. Developing arguments from my Anti-Book, the talk keeps examples of publishing practice at the foreground. It focuses in particular on an anonymously published book of tweets from the 2015 Baltimore uprising against racial terror.
Nicholas Thoburn is Senior Lecturer in sociology at the University of Manchester. He is author of «Anti-Book: On the Art and Politics of Radical Publishing» (2016) and «Deleuze, Marx and Politics» (2003), and co-editor of «Deleuze and Politics» (2008), «Objects and Materials» (2014), and Franco Berardi’s «After the Future» (2011). He has published on political theory, media aesthetics, social movements, and architecture, and is on the editorial board of the cultural studies journal «New Formations» (2019).
Freitag, 17. Januar 2020, 14—14.30 Uhr
Irgendwie anders: Nötige Differenzierungen im Spannungsfeld von Anspruch und Wirklichkeit
Vortrag von Annette Gilbert (Literaturwissenschaftlerin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) mit anschliessender Diskussion (in Deutsch).
Einführung, Moderation: Lucie Kolb
Häufig schwingt in Slogans wie «The Book as Democratic Multiple», «Publishing as Artistic Practice» oder «The Page as Alternative Space» die implizite Überzeugung mit, dass unabhängige, kollektive und/oder künstlerische Formen des Publizierens von der sonstigen Publikations-, Literatur- und Kunstpraxis so grundverschieden seien, dass sie befreiend, ja revolutionierend auf diese wirken könnten. Das Publizieren wird so nicht nur als Alternative zur Kunstwelt und zum Literaturbetrieb, sondern explizit auch als Alternative zu den gängigen Modellen des Buchhandels entworfen. Die Frage ist nicht nur, ob dieses Versprechen immer eingelöst werden kann, sondern auch, ob sich diese binäre Opposition überhaupt aufmachen lässt.
Annette Gilbert ist Literaturwissenschaftlerin mit besonderem Interesse an der Medialität und Materialität von Literatur, an Phänomenen im Grenzbereich von Kunst und Literatur und an den Veränderungen von Produktions-, Publikations- und Distributionspraktiken und Öffentlichkeit im postdigitalen Zeitalter. Jüngste Veröffentlichungen: «Im toten Winkel der Literatur. Grenzfälle literarischer Werkwerdung seit den 1950er Jahren» (2018); «Publishing as Artistic Practice» (2016, Hg.); «Unter dem Radar. Underground- und Selbstpublikationen 1965–1975» (2016, Hg. mit Jan-Frederik Bandel und Tania Prill).
Freitag, 17. Januar 2020, 14.30—15.30 Uhr
Archive des unabhängigen Publizierens
Roundtable mit Jan-Frederik Bandel (Archive of Independent Publishing Bremen AIP), Rolf Lindner (Archiv für Alternativkultur Berlin), Anja Schwanhäußer (Autorin) und Andreas Vogel (Leiter Fachbereich Gestaltung und Kunst, Hochschule der Künste Bern HKB) (in Deutsch).
Einführung, Moderation: Tania Prill
Drei Archive, die auf unterschiedliche Art miteinander verwoben sind: Das «Archive of Swiss Independent Periodical Publishing ASIPP» geht aus dem Buch- und Ausstellungsprojekt Projekt «Unter dem Radar» hervor, dessen Kern die Publikationen des «Archive of Independent Publishing AIP» bilden. Das AIP ist eine Sammlung deutscher und internationaler Underground- und Selbstpublikationen, die seit 2018 an der Hochschule für Künste Bremen beheimatet ist. «Stilrevolte Underground – Die Alternativkultur als Agent der Postmoderne» von Anja Schwanhäußer ist die erste Publikation einer AIP-Buchreihe bei dem Verlag Spector Books. Ausgangspunkt des Buchs ist das «Archiv für Alternativkultur». Dieser Nachlass des Literarischen Informationszentrums Josef Wintjes am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin ist ein Bestand von literarischen, künstlerischen und politischen Archivmaterialen der neuen sozialen Bewegungen in Deutschland seit den 1960er Jahren.
Der Roundtable wird die These des Buches Stilrevolte Underground, die von einer Komplizenschaft zwischen Subkultur und postmodernem Kapitalismus ausgeht, diskutieren. Der Fokus liegt hierbei einerseits auf den Publikationen, die eine wichtige Rolle in der Konstituierung der Undergroundszene spielten, andererseits auf den Infrastrukturen und sozialen Orten, auf die das unabhängige Publizieren angewiesen ist. Inwiefern haben sich das kollaborative und kollektive Arbeiten und die Öffentlichkeit, die dadurch erzeugt wird, heute verändert? Und warum finden heutzutage immer noch Bezugnahmen auf den historischen Underground statt?
Jan-Frederik Bandel, geboren 1977, lebt als Lektor, Literaturwissenschaftler und Übersetzer in Leipzig. Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie in Hamburg und Baltimore, Promotion in Berlin. Seit 2012 Lehrbeauftragter an der Hochschule für Künste Bremen. Diverse Buchpublikationen, zuletzt «Unter dem Radar. Underground- und Selbstpublikationen 1965–1975» (2017, Hg. mit Annette Gilbert und Tania Prill).
Rolf Lindner, Prof. i.R. für Europäische Ethnologie, Humboldt-Universität zu Berlin. Er war Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut KUWI Essen, am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften Institut IFK Wien sowie am Labor Populäre Kulturen am Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaften ISEK der Universität Zürich. Monographien seit 2000: «Die Stunde der Cultural Studies» (2000); «Walks on the Wild Side. Eine Geschichte der Stadtforschung» (2004); «Die Entdeckung der Stadtkultur» (2007, Neuauflage Campus Bibliothek Klassiker); Berlin, absolute Stadt (2016).
Anja Schwanhäußer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie an der Universität Göttingen. Sie publiziert zu den Themen Stadtethnologie, Underground und Feldforschung. Künstlerisch war sie an Off-Theatern tätig und initiierte die Gruppe «HorseArt». Zur Zeit erforscht sie die «little world» des Ponyhofs in der Berliner Vorstadt. Aktuelle Publikation: «Stilrevolte Underground: Applied Publishing Studies» (2019).
Freitag, 17. Januar 2020, 15.45—16.30 Uhr
Radical Publishing Practices Demand Radical Librarianship: Perspectives and Framing under the Disguise of Neutrality
Vortrag von Eva Weinmayr (Künstlerin, Forscherin und Dozentin) mit anschliessender Diskussion (in Englisch).
Einführung, Moderation: Lucie Kolb
The concept of the library seems to have gained much attention recently. On the one hand, we keep hearing about public library closures across the continent, on the other, we witness much energy and activism in the development and sustenance of shadow libraries, whether physical or online. After all, libraries are spaces that turn marketable goods into public goods. They provide free access to knowledge that would otherwise have to be purchased. However, libraries arguably are also disciplinary institutions. They determine what is validated and legitimised as relevant knowledge and secondly how this material is framed and represented in the catalogue, which as I will claim, constitutes itself a meaning-making structure. As library scholar Emily Drabinski points out, classification schemes «are socially produced and embedded structures, they are products of human labour that carry traces of all the intentional and unintentional racism, sexism, and classism of the workers who create them. It is not possible to do classification objectively. It is the nature of subject analysis to be subjective». Using the Library of Inclusions and Omissions as a starting point I will discuss the political nature of cataloguing and indexing and its implicit dilemma since each standard and category valorises some point of view and silences another.
Eva Weinmayr is an artist researcher and educator investigating the border crossings between contemporary art, radical education and institutional analysis by experimenting with modes of queer knowledge formation. She is co-founder of «AND Publishing», a feminist publishing platform and collaborative practice based in London and conducts currently a PhD in Artistic Practice on the Micropolitics of Publishing at Valand Academy, University of Gothenburg.
Freitag, 17. Januar 2020, 17—17.30 Uhr
Buchroutine
Vortrag von Tine Melzer (Dozentin, HKB) mit anschliessender Diskussion (in Deutsch).
Einführung, Moderation: Andreas Vogel
Tine Melzer spricht über ihrer Praxis als Autorin von autonomen Buchpublikationen. «Künstler sein bedeutet Publizist sein», sagte unlängst der niederländische Buchkünstler Jan Voss. Sie findet, er hat Recht.
Selbstermächtigung und Publikationspraxis gehören für sie zur künstlerischen Äusserung. Dabei sind Fragen nach der Kontrolle, des Publikums und der Übersetzung zentral. Sie nutzt die konventionelle Form des physischen, gedruckten Buches zur Materialisierung von Übergängen zwischen Text und Bild, Sagen und Zeigen, Denken und Meinen. Auch in der Lehre ermutigt sie dazu, gedruckte Fassungen von Werken zu erarbeiten, selbst wenn diese transdisziplinär, ephemeral, fragmentarisch oder unfertig sind. Deshalb bündelt Tine Melzer auch jedes Hochschulseminar zu abschliessenden Printpublikationen, von denen sie einige Beispiele zeigt.
Tine Melzer studierte Bildende Kunst und Philosophie in Amsterdam und wurde in England promoviert. Ihre Arbeit verbindet Sprachphilosophie mit visuellen Mitteln und autonomen Publikationsformaten. Sie ist Dozentin an der Hochschule der Künste in Bern, und forscht zum Aspektsehen in Bild, Text und transdisziplinärem Vokabular.
Freitag, 17. Januar 2020, 17.30—18 Uhr
Teaching Publishing
Vortrag von Urs Lehni (Grafikdesigner, Herausgeber und Leiter Bachelor Visuelle Kommunikation, HKB) und Olivier Lebrun (Grafikdesigner und Leiter Bachelor Graphic Design, Ecole nationale supérieure des beaux-arts de Lyon ENSBA) mit anschliessender Diskussion (in Englisch).
Einführung, Moderation: Robert Lzicar
Olivier Lebrun und Urs Lehni sind beide Grafiker, Verleger und involviert in Kunsthochschulen als Leiter eines Studiengangs. So liegt es nahe, dass sie in ihrer Lehre versuchen, diese Felder miteinander zu verknüpfen, um verschiedene Strategien zur Vermittlung von Publishing zu testen und alternative Modelle der Produktion und Diffusion von Inhalten zu etablieren. In ihrem Input werden sie einige Beispiele aus ihrer Lehre vorstellen, so z.B. das Magazin «Revue Initiales» (ENSBA Lyon), das Buch «Bernard Chadebec: Intrus Sympatiques» (Hochschule für Gestaltung Karlsruhe) oder die Publikations-Plattform «BookBoY» (HfG Karlsruhe).
Olivier Lebrun produziert editoriale Projekte, die sich auf die Verbindungen zwischen Inhalt und Inhaltsträger konzentrieren. Er ist Autor von «Stolen Works of Art» (2010), dem Taschenbuch-Begleiter zu Büchern aus der Simpsons-Serie (Rollo Press, 2012, 2013, Gelbe Seiten, 2018) und «Bernard Chadebec, Intrus Sympathiques» mit Urs Lehni und Student*innen der HfG Karlsruhe (Rollo Press, 2016). Er koordiniert den Bachelor Graphic Design an der ENSBA Lyon (FR).
Urs Lehni arbeitet als Grafikdesigner in Zürich und leitet seit Sommer 2019 den Bachelor Visuelle Kommunikation an der HKB. Mit seinem Verlagsprojekt Rollo Press hat er seit 2008 ca. 60 Titel veröffentlicht und 2015 dafür den renommierten Jan-Tschichold-Preis des Bundesamtes für Kultur erhalten.
Freitag, 17. Januar 2020, 18.15—19 Uhr
Learning from Publishing
Roundtable mit Lucie Kolb (Künstlerin und Autorin), Tania Prill (Grafikdesignerin und Professorin für Typografie, HfK Bremen) und Robert Lzicar (Designer, Forscher und Leiter Master Design, HKB) (in Deutsch).
Einführung, Moderation: Andreas Vogel
Im Rahmen von «Wir publizieren» fanden diverse Lehrveranstaltungen an der HKB und an der HfK Bremen statt, bei denen die Student*innen auf unterschiedlichste Arten mit dem Archiv arbeiteten:
Unter dem Titel «Wir publizieren: Archivbesuche, Gastvorträge, Diskussionen» führte Lucie Kolb in die Geschichte des Selbstpublizierens ein; in der Y-Toolbox «Andere Öffentlichkeiten» untersuchte sie mit den Student*innen, wie unsere Sprache sich oft unbewusst an professionellen oder disziplinären Konventionen orientiert. Im Seminar «Wir publizieren … jetzt als Film …» verhandelten die Student*innen, angeleitet durch Asli Serbest und Tania Prill, die Relation der Medien Print und Film, produzierten andersartige Verbindungen, Geschichten und Übersetzungen zwischen den beiden Medien. Diese setzten sie anschliessend – im realen Raum – in Bewegung. In Robert Lzicars Seminar zur Geschichte der visuellen Kommunikation entwickelten die Student*innen Fragestellungen zu Inhalt, Form, Produktion und Vertrieb historischer Publikationen aus der Sammlung von «Wir publizieren». Sie recherchierten historische Daten, Fakten und Zusammenhänge und beantworteten ihre Fragen in Form einer Geschichte.
Basierend auf den Erfahrungen aus diesen Lehrveranstaltungen wird der Roundtable diskutieren, wie und was man aus der Auseinandersetzung mit Publizieren und Publiziertem lernen kann. Welche Potenziale haben Publikationsprojekte für die Ausbildung und Entwicklung von Studierenden? Wie können Selbstpublikationen beforscht werden? Der Roundtable möchte damit auch einen Beitrag zur Diskussion über den Charakter von Kunsthochschulen leisten, in der nicht nur Lerninhalte, sondern auch Fragen nach der Organisation, bzw. dem institutionellen Rahmen zur Debatte stehen.
Lucie Kolb ist Künstlerin, Autorin und Herausgeberin des Magazins «Brand-New-Life». Sie promovierte 2017 an der Akademie der bildenden Künste Wien zu künstlerischen publizistischen Strategien seit 1960 und forscht am Institut für Experimentelles Design und Medienkulturen Basel im vom Schweizerischen Nationalfonds SNF finanzierten Projekt «Institutions as a Way of Life» zum Erbe von Institutionskritik. Daneben publiziert sie regelmässig zu Self-Publishing, Ausbildung und Kunstkritik. Zuletzt erschien die Monographie «Studium, nicht Kritik» (2017).
Tania Prill ist Grafikdesignerin (Studio Tania Prill, Zürich) und leitet das HfK-Masterstudio «School of Visual Combinations». Jüngste Veröffentlichungen: «Unter dem Radar – Underground- und Selbstpublikationen 1965–1975» (2016, Hg. mit Annette Gilbert und Jan-Frederik Bandel), «Typografie als künstlerisches Ereignis» (2016, Hg. mit Michael Glasmeier), «MONEY» (2015, mit Alberto Vieceli und Sebastian Cremers). Tania Prill war Professorin für Kommunikationsdesign an der HfG Karlsruhe und ist seit 2010 Professorin für Typografie an der HfK Bremen, an der sie das AIP koordiniert.
Robert Lzicar ist Designer, Professor und Forscher. An der HKB unterrichtet er Designgeschichte, leitet den Master Design und koordiniert das Forschungsfeld «Design History». Er organisierte das Symposium «Mapping Graphic Design History in Switzerland» (2014), gab eine gleichnamige Publikation heraus (2016, Hg. mit Davide Fornari) und koordiniert das vom Programm Sinergia des Schweizerischen Nationalfonds SNF finanzierte Forschungsprojekt «Swiss Graphic Design and Typography Revisited» (seit Oktober 2016).
Freitag, 17. Januar 2020, 19 Uhr
Apéro
Seminare
«Für das Wissen, das mit dem Büchermachen und Verlegen verbunden ist, fehlt ein Ort, an dem es im Zusammenhang vermittelt wird. An Kunstakademien lehrt man die Gestaltung von Büchern; an Fachhochschulen für Buchhandel den Verkauf; in der Germanistik erfährt man, wie Texte zu editieren sind. Wo aber wird das Verlegen unterrichtet?»
Spector Books, «Applied Publishing Studies», Sitterwerk, 10.5.2014
– Andere Öffentlichkeiten
Lucie Kolb
Das Projekt «Wir publizieren» baut an der Hochschule der Künste Bern HKB eine Sammlung zu unabhängigem Publizieren auf. Darin finden sich Magazine von Jugendlichen, Künstler*innen, Bewegten, die sich durch die Suche nach einer Form auszeichnen, etwas ohne professionellen Filter auszudrücken und beim Verfassen von Inhalten nicht primär an Vermittlung, Übersetzung oder an eine spezifische Zielgruppe denken. So sind die Texte in Magazinen wie «Hofnachrichten», «Eisbrecher», «Art Power» und anderen formal eigenwillig und die Themenwahl manchmal überraschend. Was wir heute davon lernen können ist, zu erkennen, wie unsere Sprache in den Beschreibungen unserer Arbeit, in Essays, in Bewerbungen sich oft unbewusst an professionellen oder disziplinären Konventionen orientiert. Diese Konventionen sind geprägt von bestimmten Vorstellungen von Geschlecht, sozialer Schicht und ethnischem Hintergrund: Dadurch werden auch immer spezifische Ausschlüsse produziert. Durch Lektüre und Diskussion von Beiträgen in unabhängigen Publikationen und dem Verfassen eigener Texte, soll für solche Konventionen sensibilisiert und dazu ermutigt werden, Sprachen zu finden, die eine andere Sozialität herstellen können als die marktbestimmte Öffentlichkeit.
Die Y-Toolbox ist als Vorbereitung für die Ausstellung zum Thema «Wie publizieren» im Dezember 2019 in der Kunsthalle Bern konzipiert.
Hochschule der Künste Bern
Y-Toolbox
11.–15.11.2019
– Wir publizieren … jetzt als Film …
Tania Prill, Asli Serbest
Das Seminar wird die Relation der Medien Print und Film neu bestimmen. Es wird andersartige Verbindungen, Geschichten und Übersetzungen zwischen den beiden Medien produzieren und – im Raum – in Bewegung setzen. Ziel ist es, eine Reihe von Underground-Publikationen für die Schweizer Ausstellung medial zu transformieren. Das heisst, gedruckte, gezeichnete und gebundene Papierobjekte in bewegte Bilder zu übersetzen.
Übersetzung meint dabei nicht nur das Zeigen und Archivieren von Originalen in Video-Kopien, sondern die Konfrontation beider Medien. Diese Konfrontation kann chaotisch, romantisch, geometrisch oder (un-)symmetrisch sein, sie enthält in jedem Fall die Sichtbarkeit beider Medien. Die Übersetzung setzt Publikation und Film in Beziehung, sie kann auch ausgeschlossene und verloren gegangene Ideen, Denk- und Wahrnehmungsweisen dazuholen. Sie kann Sprachen erfinden, hybride Konstellationen entwickeln und mit ungewöhnlichen Formationen experimentieren. Schliesslich wird die Übersetzung einen eigenen Raum produzieren – zwischen Magazin und Film, mit neuen und für neue Erzählweisen. Unser Seminar wird, obwohl es den konkreten Anlass der Berner Ausstellung im Blick hat, auch exemplarisch untersuchen, in welcher Art und Weise Bücher und gedruckte Publikationen in Ausstellungen kuratiert und gezeigt werden könnten.
Hochschule für Künste Bremen
Seminar im Bachelor / Master Integriertes Design
6.4.–10.7.2019
– Wir publizieren. Archivbesuche, Gastvorträge, Diskussionen
Lucie Kolb
Im Fokus steht das gemeinsame, selbstorganisierte Publizieren von Magazinen. Ob in gedruckter Form oder digital, das Publizieren von Periodika ist immer eine kollektive Arbeit, denn es vereint unterschiedliche Kompetenzen wie Schreiben, Gestalten, Vertreiben und Herausgeben. Beim Publizieren wird nicht nur etwas öffentlich. Es bilden sich Gruppen, es werden Bande geknüpft, Freunde und Feinde geschaffen. Das Magazin ist somit nicht nur Ort für die Reproduktion von Bildern und Texten, sondern ein Ort der Produktion von Sozialem. Mit dieser Perspektive führt der Workshop in die Geschichte des Selbstpublizierens ein. Mit Schwerpunkt Bern schauen wir uns verschiedene Projekte an, die sich entschieden haben, ihre Inhalte selbst in Umlauf zu bringen. Dafür werden Exkursionen durchgeführt, wie bspw. der Besuch des Archivs der Kunsthalle Bern und der Schweizerischen Nationalbibliothek, in denen sich Dokumente des Nonkonformismus, der Fluxus- und der Anti-Psychiatrie-Bewegung finden. Wir sichten gemeinsam Beispiele, lesen und diskutieren – sprechen aber auch mit Personen, die heute selbst publizieren –, und fragen nach den Beweggründen und Visionen, die mit dieser Praxis verknüpft sind.
Hochschule der Künste Bern
Y-Toolbox
15.–18.4.2019
– Wir publizieren. Seminar in der Geschichte der visuellen Kommunikation
Robert Lzicar
Wir setzen uns mit Inhalt, Form, Produktion und Vertrieb historischer Publikationen aus der Sammlung von «Wir publizieren» auseinander. Dazu wählen Student*innen eine der Publikationen aus, recherchieren historische Daten, Fakten und Zusammenhänge, entwickeln aus ihrem Interesse eine Fragestellung. Sie beantworten diese in Form einer Geschichte und präsentieren sie als Beitrag zur Ausstellung in der Kunsthalle Bern in Wort und Bild. Bereichert wird dieser Prozess durch Inputs und Diskussionen mit Gästen aus der Projektgruppe, Expert*innen und Zeitzeug*innen. Der Workshop soll ausserdem dazu beitragen, heutige Formen von Selbstpublikationen kritisch zu überdenken und in einen grösseren historischen Zusammenhang einzuordnen, um so gestalterischer Nostalgie und unreflektierter Aneignung stilistischer Elemente entgegenzuwirken.
Hochschule der Künste Bern
Seminar im Bachelor Visuelle Kommunikation
25.4.–6.6.2019
– Wir publizieren im Antichambre
Tania Prill, Paul Steinmann, Saskia van der Meer
Die Ausstellung «Wir publizieren», die in der Kunsthalle Bern eine Sammlung von unabhängigen, seriellen Publikationen mit dem Schwerpunkt Schweiz zeigt, wird begleitet durch die Inszenierung «Wir publizieren im Antichambre» im gleichnamigen Berner Off-Space. Die Inszenierung der Bremer Student*innen der Hochschule für Künste nimmt in filmischen Sequenzen transformierte Elemente der Berner Sammlung auf, simuliert den Prozess des Druckens und bietet vom 4.12.2019 bis zum 5.1.2020 Berührungspunkte mit Passant*innen in der Berner Innenstadt.
Hochschule für Künste Bremen
Seminar im Bachelor und Master Integriertes Design
10.10.2019.–5.1.2020